Von der Gründung bis in die Gegenwart

Pierre: Ausbildung, Priesterweihe und Studium

Geburtshaus Pierre Fouriers in Mirecourt                                                            Porta Nigra                                                                        Welschnonnenkirche in Trier

                                                                                                                                                                                                                     (erstes Kloster in Deutschland)

Pierre Fourier erhielt seine Schulausbildung bei den Jesuiten in Pont-à-Mousson. Im Jahr 1586 trat in die Augustiner-Chorherren-Abtei Chaumousey ein, er wollte gern Pfarrer und zugleich Ordensmann sein. Am 24. September 1588 empfing er in der Stiftskirche St. Simeon in Trier (Porta Nigra) die Diakonats- und am 25. Februar 1589 die Priesterweihe. In den folgenden Jahren führte er seine theologischen Studien fort, ergänzt um ein juristisches Studium.

Pierre als Pfarrer in Mattaincourt

                       Das Pfarrhaus in Mattaincourt                                                           Die Pfarrkirche in Mattaincourt            Die Chapelle Ronde in Mattaincourt

Als Pierre Fourier Pfarrer 1597 einer Gemeinde werden sollte, wählte er die unbedeutendste und schwierigste in Mattaincourt aus, weil er dort am dringendsten gebraucht wurde. Man erwartete ihn mit Vorbehalt, sogar mit Ablehnung. Durch sein pastorales und soziales Engagement gelang es ihm, echtes christliches Leben zu wecken, so dass Mattaincourt in wenigen Jahren zu einer wahren "Musterpfarrei" aufblühte. Er organisierte regelmäßige Lebensmittelverteilungen für Mittellose und rief eine Kreditgenossenschaft für Kaufleute und Handwerker ins Leben, die bis zur Französischen Revolution bestand. Durch streng kontrollierte Hygiene- und Quarantänevorschriften gelang es ihm, in Mattaincourt die Ausbreitung der Pest zu verhindern.

Pierres besondere Sorge galt den Familien, denn er erkante deren große Bedeutung für die Erneuerung der Gesellschaft. Mit großer Achtung und großem Ernst spricht er von der Verantwortung der Eltern. Ihnen obliegt die erste und grundlegende Erziehung, die die Schule seiner Meinung nach eigentlich nur ergänzen und vervollkommnen kann. Im täglichen Kontakt mit den Menschen wurde dem Pfarrer von Mattaincourt sehr schnell die soziale Tragweite von Erziehung und Bildung bewusst. So nahm die Schule von Anfang an eine zentrale Stelle im pastoralen Gesamtkonzept Pierre Fouriers ein. Die schulische Situation der damaligen Zeit war insgesamt gesehen beklagenswert und zudem konnten wegen des erhobenen Schulgeldes arme Kinder die Schule nicht besuchen. Vielfach waren die Lehrer und Lehrerinnen für ihre Aufgabe ungeeignet und hatten kaum die nötigen Kenntnisse. Auch in Mattaincourt waren die Verhältnisse nicht anders. "Wenn man jemand finden könnte, der genügend Eifer und Mut besitzt um Personen beiderlei Geschlechts dafür zu gewinnen, die Kinder kostenlos zu unterrichten, man würde unendlich viel Gutes bewirken." Diese Gedanken äußerte Pierre Fourier mehrfach.

Begegnung von Alix und Pierre

Die Pfarrkiche in Remiremont                                            Eine Straße in Remiremont                                                 Arbeitszimmer Pierre Fouriers

Seit 1595 lebte Alix le Clerc mit ihrer Familie, die ursprünglich aus Remiremont stammte, in der Pfarrei Mattaincourt. Sie war eine lebhafte junge Frau, die sich großer Beliebtheit erfreute und gern rauschende Feste feierte. Doch obwohl sie leidenschaftlich gern tanzte, spürte sie zunehmend eine innere Leere und Traurigkeit. Als Pierre Fourier im Juni 1597 Pfarrer in Mattaincourt wurde, hatte sie eines Tages während eines Gottesdienstes ein Bekehrungserlebnis, in dem sie den Anruf Gottes erkannte. So wuchs in ihr der Wunsch, Ordensfrau zu werden. Alix bat Pierre Fourier eine neue Ordensgemeinschaft gründen zu dürfen mit dem Ziel, alles nur Mögliche Gute zu tun. Pierre Fourier war zunächst skeptisch und riet ihr, in ein bestehendes Kloster einzutreten. Er zeigte die großen Schwierigkeiten auf, die der Verwirklichung scheinbar unüberwindliche Hindernisse in den Weg stellten. Doch Alix war immer fester davon überzeugt, dass die Gründung der neuen Gemeinschaft Gottes Wille sei.

Die Gründung der Congrégation Notre-Dame

                                              Mirecourt                                           Fenster in der Pfarrkirche Mattaincourt                                     Motto Alix Le Clercs

Als sich Alix unverhofft drei junge Frauen anschlossen, die sie bei ihrem Vorhaben unterstützen wollten, erlaubte Pierre ihnen, sich in der Mitternachtsmesse des Weihnachtsfestes 1597 öffentlich als religiöse Gemeinschaft zu bekennen. "Es war ein glückliches Zusammentreffen", heißt es in einer Darstellung von 1645, "eine Ordensgemeinschaft an ihrem Beginn zu sehen zur selben Zeit, wie der Sohn Gottes in Windeln lag. Junge Frauen schenkten sich ganz Gott zur selben Zeit, wie er sich der Welt schenkte. [...] Sie besuchten die Kranken und halfen den Armen, ohne noch genau zu wissen, was Gott mit ihnen vorhatte."

Doch schon nach wenigen Wochen erhielt Pierre Fourier in einer Gebetsnacht Klarheit: Hauptaufgabe der neuen Gemeinschaft sollte die Errichtung von Mädchenschulen sein, in denen kein Schulgeld verlangt wird, die allen offen stehen. Die jungen Frauen machten das Anliegen ihres Pfarrers zu ihrem eigenen, sie erkannten darin die ihnen von Gott anvertraute Aufgabe. So hat die Congrégation Notre-Dame zwei Gründer. Alix Le Clerc war berufen, die neue Gemeinschaft zu gründen, Pierre Fourier gab ihr die apostolische Ausrichtung. Beide waren offen für Gottes Ruf und antworteten darauf mit vollem Engagement. Die junge Gemeinschaft war von Anfang an einbezogen in die kirchliche Erneuerungsbewegung, in die Neuevangelisierung des Landes.

„Gott und den Menschen geweiht“, mit diesen Worten charakterisierte Pierre Fourier das Besondere der neuen Ordensgemeinschaft, der Congrégation Notre-Dame. 1628 erhielt sie die volle kirchliche Anerkennung und die Genehmigung, sich durch ein viertes Gelübde dem Erziehungsauftrag zu verpflichten, sowie den Titel „Augustiner Chorfrauen der Congregatio Beatae Mariae Virginis“. Zur Wahl der Augustinusregel als Grundlage des Ordenslebens schrieb Pierre Fourier in einem Büchlein mit dem Titel „Der ursprüngliche Geist der Congrégation Notre-Dame“: Weil sie ihren Absichten am meisten entsprach, „nahmen sie die Regel an, die der große hl. Augustinus für sich und seine Schwester und alle, die mit ihnen lebten, wählte. Wie diese bemühen sie sich, ein apostolisches Leben zu führen nach dem Beispiel der hl. Apostel unseres Herrn und der Frauen, die ihnen halfen, Menschen für Gott zu gewinnen.“ Pierre Fourier stellte die Schwestern unmissverständlich in die Nachfolge der Apostel. In einem Gespräch sagte er: „Unser Herr berief einfache Menschen als Apostel. Sie sollten nach seiner Himmelfahrt seine Lehre allen Bewohnern der Erde verkünden. (...) In unserer Zeit wollte unser Herr junge Frauen berufen, die für die weibliche Jugend Zeugen seiner Worte und Taten sein sollen.“

Pierre Fourier erkannte die Bedeutung der Frau für Familie und Gesellschaft und für die Kirche. In den Konstitutionen, den Ordenssatzungen der Congrégation Notre Dame, schrieb er über die Schülerinnen: „Obwohl jung an Jahren, sind sie schon jetzt kein unbedeutender Teil der Kirche Gottes und in wenigen Jahren können sie viel Gutes bewirken. Es ist zu ihrem eigenen Wohl, dem ihrer Väter und Mütter und der Familien, die sie eines Tages leiten werden, sowie für das Gemeinwesen ganz notwendig, dass sie frühzeitig und sehr sorgfältig im Glauben und gleichzeitig in einigen anderen Dingen unterrichtet werden, die ihnen helfen zu leben und gut zu leben (...) und dass die Armen hier aufgenommen werden und ganz genauso wie die Reichen behandelt werden.“ Die Schulen des Ordens wollten zugleich christliche Erziehung und menschliche Bildung vermitteln. Glaubensunterweisung und Vermittlung weltlichen Wissens bildeten eine Einheit. Nicht nur in ihrem pädagogischen Konzept, sondern auch in den Methoden waren Pierre Fourier und Alix Le Clerc Pioniere. So gab es schon eine Art Klassenunterricht, wozu die Wandtafel eingeführt wurde. Diese Schulen brachten nicht nur einen Fortschritt im Unterrichtswesen, sondern sind auch eine Etappe auf dem Weg zur Emanzipation der Frau. Sie waren revolutionär, denn sie brachen mit der Mentalität und den gesellschaftlichen Verhältnissen der Zeit. Hier wurden Mädchen aller Bevölkerungsschichten gemeinsam unterrichtet und zu selbständigen Frauen herangebildet, die fähig waren, Verantwortung zu übernehmen und ggf. ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. 

Es ist ein weites Aktionsfeld, das der Pfarrer von Mattaincourt vor Augen hat: durch die Kinder die Familien umwandeln und den ganzen Ort und sogar das Land. Ganz Lothringen sollte von einem Netz kleiner Schulen überzogen werden. Auch protestantische Kinder wurden in den Schulen der Schwestern aufgenommen und Pierre Fourier verlangte ausdrücklich, sorgfältig darauf zu achten, dass die religiösen Gefühle dieser Schülerinnen nicht verletzt würden, in der Zeit der Gegen-reformation und der Religionskriege nicht selbstverständlich.

Die Eröffnung der ersten Schule in Poussay

Fenster in der Grabkapelle Pierre Fouriers                   Hinweis auf die Eröffnung der ersten Schule im Juli 1598                                    Das erste Schulgebäude in Poussay

Nach großen Schwierigkeiten wurde Anfang Juli 1598 in Poussay bei Mattaincourt die erste Schule des Ordens eröffnet. Pierre Fourier selbst führte die jungen Frauen sowohl in das Ordensleben als auch in ihre Tätigkeit als Lehrerinnen und Erzieherinnen ein. Er maß dem Lehrberuf große Bedeutung zu, vor allem dem Beispiel der Lehrenden. Er selbst beachtete das. Während seiner Studienzeit war er Erzieher. Einer seiner Schüler berichtete: „Was seine Lektionen unwiderstehlich machte, war, dass wir ihn vergebens prüften. Wir konnten ihn nie packen bei einem Verstoß gegen Ermahnungen, die er uns gab.“

Diese neue Ordensgemeinschaft war nicht nur alternativ durch ein radikal gelebtes Ordensleben, sondern noch mehr durch die apostolische Zielsetzung. Ordensfrau und zugleich Lehrerin zu sein war unvereinbar mit den herkömmlichen Vorstellungen von klösterlichem Leben. Zwar wurden schon immer Mädchen in Klöstern erzogen, aber nur innerhalb der Klausur, streng abgeschieden von der Außenwelt. Es dauerte 30 Jahre, bis die Congrégation Notre-Dame vom Papst die endgültige Genehmigung erhielt, Schulen für externe Schülerinnen zu unterhalten.